Eigentlich wollten wir soooo gerne unseren Urlaub in Irland verbringen. Nun wurde es Hohenlohe und das Jagsttal. Dank des Campers der Schwiegereltern konnten wir vieles entdecken, das so nah und bislang doch so fern war. Allenfalls, wenn ein Stau auf der A6 mich dazu gezwungen hat oder der Einkauf bei der Schwäbisch-Hällischen Erzeugergemeinschaft mich von der Autobahn abfahren liesen, hatte ich bislang die Region Hohenlohe-Mainfranken auf dem Schirm. Natürlich auch die durch vielfältigen Slowfood Aktivitäten und die Affinität zu gutem Alkohol.
Das Prinzip dieser kurzen Auszeit lautete also: Je kleiner die Straße, desto besser. So haben wir den Urlaub mit Ausgangspunkt Prüfeninger Schlossgarten – Matting – Oberndorf – Riedenburg – Altmühltal begonnen, um die erste Station beim wiedereröffneten Stirzer in Dietfurt zu machen. Der Spargel war großartig, die Hollandaise mit Eischnee montiert. Das Brot zum Backhendlsalat hausgemacht – ein wenig mehr Zeit in der Teigführung wären schön gewesen, aber in diesen schwierigen Zeiten und der Professionalität und Freundlichkeit trotz Maskenpflicht sei dies mehr als verziehen.
Frisch gestärkt fuhren wir weiter Richtung Eichstätt, Erinnerungen an alte Zeiten und einen Trikeausflug mit meinem jetzt fast schon erwachsenen Kind begleiteten mich durch die Felsen des Jura. Eichstätt selbst ist immer noch nicht schöner geworden und so ging es weiter Richtung Franken und vorbei am Brombachsee. Im Gasthaus zur alten Tankstelle in Herrieden konnten wir erleben, wie selbst kleinste Imbisse und Gastronomen die aktuellen Verordnungen umsetzen.
Man kann diese Strecke in 2 Stunden zurücklegen, aber man muss nicht und so haben wir es uns erlaubt für 270km einfach mal knapp fünf Stunden zu verwenden – nicht zu verschwenden.
Die Ankunft bei unserer ersten Übernachtungsstation, dem Birkenhof Wunderlich, hätte gerne etwas gastfreundlicher sein können und auch der Stellplatz neben Heuwender und Reithalle war im ersten Moment etwas ernüchternd. Nun muss man sich aber, wenn man mit Landvergnügen reist, im klaren darüber sein, dass man hier mitten in den Alltag der Gastgeber kommt und dieser bei Landwirten vor allem durch viel Arbeit von früh bis spät geprägt wird. Manchmal rutscht einem da ein locker-flockiges “Schönen Feierabend” raus – aber die Stallarbeit endet eben nicht um 20.00 Uhr und beginnt gerne mal in der früh um fünf. Selbst als fleißiger Koch wird einem da bewußt, dass Landwirtschaft keinen Urlaub und keinen Müßiggang kennt. Die anfängliche Ernüchterung wurde am nächsten Morgen mehr als Wett gemacht, durch die spontane Hofführung und das Kennenlernen mit Familie Wunderlich und Ihren Zeburindern. Diese wunderschönen Tiere und den Stolz, den Respekt zu sehen, der Austausch über die aktuelle Situation bis zum Angebot ein ganzes Zeburind verarbereiten zu dürfen, hinterlässt bei mir große Dankbarkeit.
Das Tolle an Landvergnügen sind neben den hofeigenen Produkten, die man unbedingt kaufen sollte, vor allem auch die Begegnungen und Tipps für die nächste Einkaufsmöglichkeit. Den morgendlichen Aufbruch sollte man in keinem Fall überstürzen. Zeit für Menschen und deren Geschichten ist unbezahlbar. Weiter ging es also in einem großen Bogen auf der Suche nach dem Kühlschrank der Milchhandwerker in Marlach. Dank einer Straßensperrung sind wir aber vorher bei Panifactum gelandet. Eine eigene Mühle, der Geruch frischen Brotes ließen uns zum Glück anhalten. Dort standen wir vor einer großen Auswahl an Glutenfreien Produkten, die so ganz anders schmecken als die trockenen, pseudogesunden Industrieprodukte. Und mal wieder – haben wir einen Menschen kennengelernt. In diesem Fall einen Kochkollegen – Marinus Falter – der mit den Worten “etz muas i scho amoi frang, was a Straubinger da macht” zur Tür rein kam und uns von seinem Low Carb Familienhotel erzählte.
Weiter geht es, nachdem wir den Camperkühlschrank mit Joghurt und Vorzugsmilch voll gemacht haben zum Wein. Nicht rund um Bad Mergentheim, wo die bekannten Namen zu finden sind, sondern auf der Suche nach einem Familienbetrieb. Fündig wurden wir im Weingut Keck. Was mich angesprochen hat, war die etwas aus der Zeit gefallene Homepage. Diese versprach ehrliche Alltagsweine und genau so hat sich Frau Keck auch ohne Voranmeldung viel Zeit für uns genommen und wir durften den spannenden Unterschied beim Silvaner der Jahrgänge 2017 und 2018 erschmecken. Wer probiert, der kauft auch! Wir mussten also noch mal neu den Camper sortieren und die fünf Kisten unterzubringen und fuhren weiter zum Martinshof von Gerd Bayer.
Dank ausreichenden Datenvolumens fanden wir schon am Vorabend einen superspannenden Bericht über den Martinshof in Rüsselshausen. Ein Idyll. Trotz neu gebauter Windräder und Biogasanlage in naher Umgebung – aber im Gespräch mit Gerd Bayer wurde schnell klar, wie schwierig die Abwägung zwischen dezentraler, regenerativer Energieversorung und dem Landschaftsbild ist. Aber darum ging es so gar nicht und als Städter hab ich das leichte Surren auch wirklich nicht wahrgenommen. Liebevoll gestaltet präsentiert sich der Martinshof als Inbegriff von Tradition und Moderne – Ideenreichtum und Generationenfragen beim Umgang mit konventioneller und ökologischer Landwirtschaft. Mal wieder sind ist es die Begegnung, die eigene Geschichten, die Erfahrungen und der Perspektivwechsel den Gerd uns ermöglicht hat. Ein Modefotograf mit bäuerlichen Wurzeln, der Weg über Hamburg, New York und Ibiza zurück in die alte Heimat. Der Umgang der Dorfgemeinschaft mit Homosexualität und die persönliche Positionierung dazu. Welche Fülle – danke Gerd für dieses Kennenlernen!
Kulinarik und Kunst – in Schwäbisch Hall gibt es die Kunsthalle Würth. “Lust auf Mehr” heißt die aktuelle Schau und die Beschreibung dazu lautet:
Die Ausstellung in der Kunsthalle Würth zeigt alles: das Spektakuläre, das Stille, das Arrivierte, das noch Aufstrebende. Rund 170 meist neu erworbene Werke zur Gegenwartskunst sind in Schwäbisch Hall zu sehen: von Georg Baselitz und Christo, Alex Katz, Anselm Kiefer, Maria Lassnig und A. R. Penck bis zu Yngve Holen und Michael Sailstorfer.
Vorher allerdings ging es in die Markthalle Kornhausscheunen. Mal wieder trafen wir bei der bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall auf hohe Produktqualität. Viel spannender und lustiger aber waren der Metzgereiverkäufer und die Käsesommeliere. Deren Lächeln auch hinter der Maske uns verzauberte, zu weiteren Einkäufen animierte und so ganz weit weg war, von der belehrenden Art manch anderer KäseanbieterInnen. Beizeiten hört man ja Sätze wie: “Mei, des is a ganz a scheener, a richtiger Wochenendkäse…” – ja, da hab ich dann auch schon gegessen. Ganz anders hier und so schmerzten die über 70,00 € – welche ja gleichzeitig ein Sponsoring für handwerkliches, regionales Handwerk sind, gar nicht sehr.
Die Kunsthalle Würth mit Mundschutz zu besuchen, war dann trotz beeindruckender Architektur und Kunst, doch eher anstrengend – fällt doch auf Dauer das Atmen schwer und so recht erschließt es sich auch nicht, warum man allein in einem großem Ausstellungsraum diesen tragen muss. Aber auf dieser Reise haben wir sehr unterschiedliche, in den allermeisten Fällen sehr verantwortungsbewusste Menschen und Umgänge mit dem Virus erlebt. Dass ein Landwirt beim Ziegenmelken oder allein auf dem Feld an alles andere, als das Tragen eines Mundschutzes denkt. Beim Betreiben eines Hofladens aber Desinfektionsspender, Zugangskontrollen und Mundschutz verlangt, das stimmt mich zuversichtlich.
Gleichzeitig erreichten uns aber genau dort in freier Natur, Pressemeldungen von Großausbrüchen des Virus in Göttingen und ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, wie es sein mag, in engen Wohnungen mit Großfamilien eingesperrt zu sein. Dennoch ärgere ich mich über die Vorstellung, da hätten Shisha-Bars trotz Verbotes geöffnet und vielleicht haben sogar unterschiedliche Menschen sich gemeinsam die Sinne vernebelt.
Wir aber fuhren weiter zu unserem nächsten Halt, dem Schafhof Jauernik. Wenn neben den Landwirtschaftlichen Geräte eine Campact Fahne liegt, die Grünen und die Landfrauen hier schon Besucher waren, dann ist zumindest die politische Überzeugung der Betreiber klar. Noch besser, wenn die Markise ausgefahren, der camperinterne Kühlschrank am Strom angeschlossen und alles für eine “Vesper” bereit ist. Da kann man dann gerne mal mit dem Haselnusseis aus Schafsmilch beginnen und als Dessert einen Gin Tonic und mitgebrachten Whisky genießen. Brot.Käse.Wurst – lauter verarbeitete und hochwertige Produkte – aber kochen wollte ich im Urlaub nicht.
Der Abend war kalt und wunderschön – dank der vom Schwiegervater eingebauten Heizung konnten wir uns zwischen Romantik und Wärme entscheiden.
Prinzip war ja – möglichst keine Autobahn – um Neues entdecken zu dürfen. Als Station für unsere letzte Nacht haben wir uns selbst beim Bandkollegen von Steffi – dem wunderbaren Andreas Blüml und seiner Frau Anni eingeladen. Doch bevor es nach Alddorf in Frangen ging fanden wir noch einen wirklich bezaubernden Ort. Wem Czechy Krumlov zu überlaufen und touristisch ist, der findet mit Kirchberg an der Jagst ein wirklich romantisches Örtchen.
Nach einem kurzen Mittagsschläfchen erreichten wir dann Anni und Andi. Dort durften wir dann doch ein kleines bisschen in der Küche mithelfen. Was gibt es schöneres, als aus frisch aus der Erde gezogenen Radieserln und dem dazugehörigen Grün ein Pesto zu zaubern und auf eine geräucherte Forelle Sauerampfer aus dem Garten zu legen. Dazu Walnüsse aus dem Garten, grobe Bratwürste und Spargel. Mehr als genug Weißwein haben wir auch vernichtet – wir machens wieder gut, versprochen.
Am nächsten Morgen graute uns schon vor dem Ausladen und dem Hochtragen in den 4. Stock, aber erst haben wir noch den Camper zurück gegeben. Nicht ohne Schweinebraten mit der ganzen Familie Denk zu genießen. Dank meiner wunderbaren Kinder waren auch die 5 Kisten Wein bald in der Wohnung und die Waschmaschine durfte ihren Dienst verrichten.
Auch die Lebensmittel waren schnell aufgeräumt und dann kam die Lust zu Kochen und der Hunger wieder. Mit dem Besten aus dem Kühlschrank und der Reise… – vegetarische Carbonara mit Wachteleiern von Gerd, schwäbischen Spaghetti und frischer Petersilie. Schön wars – Gut wars – Danke für den Luxus, so eine Tour unternehmen zu dürfen, Menschen kennen gelernt zu haben. Wir kommen wieder.