Ich habe gestern voller Freude und Lust Schinkennudeln mit Ketchup auf Instragram gepostet und damit vermutlich bei vielen Followern ein Lächeln auf die Lippen und Speichelfluss im Mund erzeugt. Kindheitserinnerungen geweckt und einen Diskurs ausgelöst.
Einerseits ist es wunderbar, wenn wir uns über derartige Banalitäten auseinandersetzen können. Andererseits bringt es mich zum Nachdenken und verstärkt eine Einschätzung, die ich schon länger mit mir rumtrage. Diejenigen, die meinen Kochstil, mein Engagement für Slow Food, gute Lebensmittel und alles, was damit zu tun hat kennen, die wissen, dass ich diesbezüglich nicht gänzlich auf der Brennsuppn daherschwimm. Es gibt immer noch den über allem stehenden Satz eines Leipziger Koches: „Es gibt Dinge, die tut man nicht“. Was das ist, muss wohl jede/r selbst definieren.
Aber zum Nachdenken hat mich der Satz einer begnadeten Hobbybäckerin gebracht, die kommentierte: „Man darf es ja nicht laut sagen, aber ich liebe Ketchup zum Spiegel-Ei.“ Leute, was ist los mit uns? Mit uns sind in diesem Fall alle Slowfoodies, ErnährungsumstellerInnen, ethischen EsserInnen, Buddah-Bowl-Esser gemeint. Ich habe vor ungefähr 10 Jahren zum ersten Mal von „Clean Eating“ gehört und neben ganz vielen „Ja – Na klar- eh – stimmt“ in meinem Magen war damals schon ein Gefühl des Unwohlseins. Da geht es mir genauso, wie wenn ich in einer Schulklasse Kochunterricht halte und eine Karotte her zeige – kannste drauf warten, dass die SchülerInnen dir was vom Vitamingehalt, den Vorteilen von Rohkost und der Notwendigkeit, Karotten mit Öl zu ergänzen erklären. Da sagt aber niemand: Die ist so hart. Da wackelt mein Zahn. Von Karotten bekomm ich Schluckauf oder was anderes ganz Normales. Prof. Dr. Gunther Hirschfelder hat an mit seinem Lehrstuhl an der Universität Regensburg umfassend herausgearbeitet, wie sehr Ernährung soziologisch und moralisch aufgeladen ist.
Du bist, was du isst, wird heute zu: Dein Konsum und Deine Ernährung retten die Welt. Im Umkehrschluss also – Dein Konsum zerstört die Welt, bzw. wenn du das moralisch Verwerfliche isst, dann bist Du für die Klimakatastrophe, die Ungerechtigkeit in der Welt, Migrationsbewegungen und die Zerstörung unserer Mutter Erde verantwortlich. Stimmt ja auch! Schmeckt ihr es auch? Diesen moralinsauren Nachgeschmack? Diesen Blick in den Einkaufswagen vor dir und den Film über die Lebens- und Einkommensverhältnisse derjenigen vor Dir an der Kasse? Die Scham über die Lust auf geschmolzenen Käse?
Ich hatte vor kurzem eine Cateringanfrage zu einem Patiententag. Anforderung an das Catering war Logi-Kost. Daraufhin habe ich mich mit Steffi unterhalten, die Ihr Leben lang mit Ihrem Körper und dessen Bedürfnissen beschäftigt ist und sein wird. Das Problem an all den Vorgaben für gute Ernährung ist der moralische Druck. Die Scham. Das Wissen darum, dass man früher oder später Scheitern wird und damit zum schlechteren Menschen wird. Was ist passiert mit uns, dass der Luxus und die Freude für gutes Essen (ja – Gut kann und muss definiert werden) nicht ohne Schuld gelebt werden kann? Nochmal – wer mich kennt, der weiß, wie wichtig mir die Übernahme von Verantwortung, gerade für das, was in meinem Topf und auf Eurem Teller landet – ist.
Anderseits heißt meine Firma „Hausers KochLust“. Lust. Nicht KochFrust. Nicht KochEthik. Nicht KochDichZumBesserenMenschen. Natürlich auch nicht Hausers Völlerei. Wobei das eigentlich mal ganz lustig wäre. Nach der Pandemie. So ein ausgelassenes Gelage, eine spätrömische Orgie, ein ordentliches Besäufnis. Nein – darum geht es mir gar nicht.
Dieser Artikel ist kein Plädoyer für billige All-You-Can-Eat-Buffets. Er ist ein Plädoyer für Freude und Lust. Gegen fundamentalistische und fast religiöse Reinheit. Dieses Clean geht mir so richtig auf die Eier. Es entspricht halt so richtig dem Optimierungswahn, der Ausgrenzung von Ungenormten.
Food muss instagrammable sein und gleichzeitig ethisch korrekt. Superfood, am besten regional und noch dazu mental fit machen.
Was ist eigentlich aus der Kartoffel geworden, die man mit der Gabel in der Soße manscht. Vorsicht Kohlenhydrate! Ist die Soße laktosefrei? Kann man da auch ne vegane Bratensoße dazu machen? Jaha. Kann man. Is halt….
Noch schlimmer ist, dass auf Insta und anderen Social Media Kanälen uns Filme von „Essenzubereitungen“ eingespielt werden, in denen Menschen mit schwarzen Gummihandschuhen „Lebensmittel“ unbekannter Herkunft in Form bringen. Das Ergebnis ist im besten Fall „yummie“.
Was für ein Hohn. Wie weit entfernt von echtem Genuss, wahrer Lust und dem Erleben mit allen Sinnen ist das denn? Da ist es dann auch völlig egal, ob die Karotten handgestreichelt wurde – es bleibt halt online food porn.
Und so bleibe ich dabei – Verantwortungsübernahme ist selbst kochen, selbst scheitern, sich seinen Gelüsten hin zu geben und im Zweifel auch selbst zu seinem Magen beim grummeln zuzuhören.
Und ja – Schinkennudeln mit Ketchup. Gerne mit Wurstresten (zero wast) oder Eiernudeln vom Bauernhof. Wenn vorhanden mit hausgemachtem Ketchup. Die Zwiebeln vorher eingesalzen, dann umami braun gebraten. Eier von glücklichen Hühnern drüber und Käse mit einer Microplane Reibe flockig. Niemand hat gesagt, dass Soulfood nicht gut sein kann. Nur weil irgendwer was schlecht macht, ist das Konzept deshalb noch nicht schlecht. Und Mamaküche ist halt einfach immer gut!