Gerade hatte ich ein wunderbares Videocoaching mit Lachen und Tränen. Mit großen Baustellen und ein paar kleinen Erkenntnissen.
Eine davon ist 14 Milliarden Jahre alt: Die Zeit vergeht unterschiedlich schnell. Offensichtlich ist genug Zeit da, für alles, was notwendig ist. Wir vergessen das im Hamsterrad gern mal – nur wenn es hart auf hart kommt, der Papa stirbt, der Oberschenkelhals bricht oder die Beziehung, dann bleibt die/unsere Zeit plötzlich stehen.
Können wir selbst die Zeit anhalten? Ich denke schon. Ich kann mitten im Hauptgang für eine Hochzeit anrichten 1 Minute stoppen und den Tisch abwischen. Ich kann mir beim Gemüse kaufen die Zeit nehmen für ein Gespräch und zu spät zum Termin kommen. Ich kann Termine absagen, Versprechungen aufkündigen und stattdessen mir Zeit nehmen.
Das hat Konsequenzen. Wie jedes Tun oder auch das Nicht-Tun. Nicht alle Reaktionen und Konsequenzen kann ich vorhersagen und richtig einschätzen. Manchmal setzt mein Handeln auch ganz andere, unvorhergesehene Dinge in Gang, es löst was im Umfeld aus. Das braucht schon etwas Mut. Gut ist auch ein sicherer eigener Standpunkt oder mindestens die Überzeugung, dass das, was man da gerade tut (und was Konsequenzen hat) zu Bewegung führen wird.
Andererseits sollte man sich nicht immer zu schnell bewegen. Gerade dann, wenn man (noch) nicht weiß, wo es hin geht. Da macht es ziemlich viel Sinn, sich Zeit zu lassen. Mit denjenigen, mit denen man einen Weg gehen will, die Ziele zu definieren. Keine Ahnung, ob alle das gleiche Ziel haben und die gleiche Geschwindigkeit gehen wollen. Vielleicht müssen wir auch erstmal gemeinsam eine Pause machen und uns neu orientieren. Vielleicht entscheidet sich ja auch jemand, umzukehren oder woanders hinzuwollen. Vielleicht irritiert mich das, weil ich dachte, wir hätten das gleiche Ziel. All das kann passieren, wenn man sich die Zeit nimmt, das nochmal zu klären und vielleicht ist das auch der Grund, warum wir lieber mal schneller laufen, anstatt stehen zu bleiben.
Ich habe unseren Lehrlingen vor ein paar Wochen die Geschichte von dem Mann im Wald erzählt, der mit einer stumpfen Axt einen Baum fällen will. Da kommt ein anderer daher und fragt, ob es nicht vielleicht sinnvoller wäre, erstmal die Axt zu schärfen. Die Antwort „dafür habe ich keine Zeit, ich muss erstmal den Baum fällen“ kennen wir glaube ich alle immer mal wieder.
Dieser Text ist mehr ein Plädoyer an mich selbst – sich FreiZeit zu nehmen. Auch wenn ich so viele Pläne und Ideen habe, auch wenn das Paket verschickt, die Sachen in den Keller geräumt, der Container aufgeräumt werden muss. Die Einkaufs- und Kochliste zu erstellen ist, weil ich sonst die Zutaten nicht mehr bekomme. Und nein, das ist kein Work-Life-Balance oder Optimierungsgedöns, sondern einfach eine Wegmarkierung die sagt – nimm Dir Zeit, gönn Dir. Bleib stehen und schau.
Lass mal die anderen, das Leben nachkommen und lauf auch dann nicht gleich weiter. In und nach Corona waren wir ausgebremst und wollten endlich wieder durchstarten. Und jetzt merken wir, dass wir dafür gar nicht die Puste haben, dass die Reserven aufgebraucht sind. Bedeutet das nun, alt und lethargisch zu sein? Ich denke nicht. Es ist vielmehr die Erkenntnis, dass schneller in die falsche Richtung zu laufen, dich auch nicht eher ans Ziel bringt. Und vielleicht schärfe ich ja gerade meine Axt…
PS: mein liebster Freund Onkel Thoma nimmt sich gerade die Zeit, sein Weingeschäft cum tempore neu aufzustellen, wenn er soweit ist, dann rennt ihm ganz schnell die Bude ein!