Artikel
0 Kommentare

Routen­option – Autobahnen meiden

Eigentlich wollten wir soooo gerne unseren Urlaub in Irland verbringen. Nun wurde es Hohenlohe und das Jagsttal. Dank des Campers der Schwie­ger­eltern konnten wir vieles entdecken, das so nah und bislang doch so fern war. Allen­falls, wenn ein Stau auf der A6 mich dazu gezwungen hat oder der Einkauf bei der Schwä­bisch-Hälli­schen Erzeu­ger­ge­mein­schaft mich von der Autobahn abfahren liesen, hatte ich bislang die Region Hohenlohe-Mainfranken auf dem Schirm. Natürlich auch die durch vielfäl­tigen Slowfood Aktivi­täten und die Affinität zu gutem Alkohol. 

Das Prinzip dieser kurzen Auszeit lautete also: Je kleiner die Straße, desto besser. So haben wir den Urlaub mit Ausgangs­punkt Prüfe­n­inger Schloss­garten – Matting – Oberndorf – Riedenburg – Altmühltal begonnen, um die erste Station beim wieder­eröff­neten Stirzer in Dietfurt zu machen. Der Spargel war großartig, die Hollan­daise mit Eischnee montiert. Das Brot zum Backhendl­salat hausge­macht – ein wenig mehr Zeit in der Teigführung wären schön gewesen, aber in diesen schwie­rigen Zeiten und der Profes­sio­na­lität und Freund­lichkeit trotz Masken­pflicht sei dies mehr als verziehen.

Frisch gestärkt fuhren wir weiter Richtung Eichstätt, Erinne­rungen an alte Zeiten und einen Trike­ausflug mit meinem jetzt fast schon erwach­senen Kind beglei­teten mich durch die Felsen des Jura. Eichstätt selbst ist immer noch nicht schöner geworden und so ging es weiter Richtung Franken und vorbei am Bromb­achsee. Im Gasthaus zur alten Tankstelle in Herrieden konnten wir erleben, wie selbst kleinste Imbisse und Gastro­nomen die aktuellen Verord­nungen umsetzen. 

Man kann diese Strecke in 2 Stunden zurück­legen, aber man muss nicht und so haben wir es uns erlaubt für 270km einfach mal knapp fünf Stunden zu verwenden – nicht zu verschwenden.

Die Ankunft bei unserer ersten Übernach­tungs­station, dem Birkenhof Wunderlich, hätte gerne etwas gastfreund­licher sein können und auch der Stell­platz neben Heuwender und Reithalle war im ersten Moment etwas ernüch­ternd. Nun muss man sich aber, wenn man mit Landver­gnügen reist, im klaren darüber sein, dass man hier mitten in den Alltag der Gastgeber kommt und dieser bei Landwirten vor allem durch viel Arbeit von früh bis spät geprägt wird. Manchmal rutscht einem da ein locker-flockiges “Schönen Feier­abend” raus – aber die Stall­arbeit endet eben nicht um 20.00 Uhr und beginnt gerne mal in der früh um fünf. Selbst als fleißiger Koch wird einem da bewußt, dass Landwirt­schaft keinen Urlaub und keinen Müßiggang kennt. Die anfäng­liche Ernüch­terung wurde am nächsten Morgen mehr als Wett gemacht, durch die spontane Hofführung und das Kennen­lernen mit Familie Wunderlich und Ihren Zebur­indern. Diese wunder­schönen Tiere und den Stolz, den Respekt zu sehen, der Austausch über die aktuelle Situation bis zum Angebot ein ganzes Zeburind verar­be­reiten zu dürfen, hinter­lässt bei mir große Dankbarkeit.

Das Tolle an Landver­gnügen sind neben den hofei­genen Produkten, die man unbedingt kaufen sollte, vor allem auch die Begeg­nungen und Tipps für die nächste Einkaufs­mög­lichkeit. Den morgend­lichen Aufbruch sollte man in keinem Fall überstürzen. Zeit für Menschen und deren Geschichten ist unbezahlbar. Weiter ging es also in einem großen Bogen auf der Suche nach dem Kühlschrank der Milch­hand­werker in Marlach. Dank einer Straßen­sperrung sind wir aber vorher bei Panifactum gelandet. Eine eigene Mühle, der Geruch frischen Brotes ließen uns zum Glück anhalten. Dort standen wir vor einer großen Auswahl an Gluten­freien Produkten, die so ganz anders schmecken als die trockenen, pseudo­ge­sunden Indus­trie­pro­dukte. Und mal wieder – haben wir einen Menschen kennen­ge­lernt. In diesem Fall einen Kochkol­legen – Marinus Falter – der mit den Worten “etz muas i scho amoi frang, was a Strau­binger da macht” zur Tür rein kam und uns von seinem Low Carb Famili­en­hotel erzählte.

Weiter geht es, nachdem wir den Camper­kühl­schrank mit Joghurt und Vorzugs­milch voll gemacht haben zum Wein. Nicht rund um Bad Mergen­theim, wo die bekannten Namen zu finden sind, sondern auf der Suche nach einem Famili­en­be­trieb. Fündig wurden wir im Weingut Keck. Was mich angesprochen hat, war die etwas aus der Zeit gefallene Homepage. Diese versprach ehrliche Alltags­weine und genau so hat sich Frau Keck auch ohne Voranmeldung viel Zeit für uns genommen und wir durften den spannenden Unter­schied beim Silvaner der Jahrgänge 2017 und 2018 erschmecken. Wer probiert, der kauft auch! Wir mussten also noch mal neu den Camper sortieren und die fünf Kisten unter­zu­bringen und fuhren weiter zum Martinshof von Gerd Bayer. 

Dank ausrei­chenden Daten­vo­lumens fanden wir schon am Vorabend einen super­span­nenden Bericht über den Martinshof in Rüssels­hausen. Ein Idyll. Trotz neu gebauter Windräder und Biogas­anlage in naher Umgebung – aber im Gespräch mit Gerd Bayer wurde schnell klar, wie schwierig die Abwägung zwischen dezen­traler, regene­ra­tiver Energie­ver­sorung und dem Landschaftsbild ist. Aber darum ging es so gar nicht und als Städter hab ich das leichte Surren auch wirklich nicht wahrge­nommen. Liebevoll gestaltet präsen­tiert sich der Martinshof als Inbegriff von Tradition und Moderne – Ideen­reichtum und Genera­tio­nen­fragen beim Umgang mit konven­tio­neller und ökolo­gi­scher Landwirt­schaft. Mal wieder sind ist es die Begegnung, die eigene Geschichten, die Erfah­rungen und der Perspek­tiv­wechsel den Gerd uns ermög­licht hat. Ein Modefo­tograf mit bäuer­lichen Wurzeln, der Weg über Hamburg, New York und Ibiza zurück in die alte Heimat. Der Umgang der Dorfge­mein­schaft mit Homose­xua­lität und die persön­liche Positio­nierung dazu. Welche Fülle – danke Gerd für dieses Kennenlernen!

Kulinarik und Kunst – in Schwä­bisch Hall gibt es die Kunst­halle Würth. “Lust auf Mehr” heißt die aktuelle Schau und die Beschreibung dazu lautet: 

Die Ausstellung in der Kunst­halle Würth zeigt alles: das Spekta­kuläre, das Stille, das Arrivierte, das noch Aufstre­bende. Rund 170 meist neu erworbene Werke zur Gegen­warts­kunst sind in Schwä­bisch Hall zu sehen: von Georg Baselitz und Christo, Alex Katz, Anselm Kiefer, Maria Lassnig und A. R. Penck bis zu Yngve Holen und Michael Sailstorfer.

Vorher aller­dings ging es in die Markt­halle Kornhaus­scheunen. Mal wieder trafen wir bei der bäuer­lichen Erzeu­ger­ge­mein­schaft Schwä­bisch-Hall auf hohe Produkt­qua­lität. Viel spannender und lustiger aber waren der Metzge­rei­ver­käufer und die Käsesom­me­liere. Deren Lächeln auch hinter der Maske uns verzau­berte, zu weiteren Einkäufen animierte und so ganz weit weg war, von der beleh­renden Art manch anderer Käsean­bie­te­rInnen. Beizeiten hört man ja Sätze wie: “Mei, des is a ganz a scheener, a richtiger Wochen­endkäse…” – ja, da hab ich dann auch schon gegessen. Ganz anders hier und so schmerzten die über 70,00 € – welche ja gleich­zeitig ein Sponsoring für handwerk­liches, regio­nales Handwerk sind, gar nicht sehr. 

Die Kunst­halle Würth mit Mundschutz zu besuchen, war dann trotz beein­dru­ckender Archi­tektur und Kunst, doch eher anstrengend – fällt doch auf Dauer das Atmen schwer und so recht erschließt es sich auch nicht, warum man allein in einem großem Ausstel­lungsraum diesen tragen muss. Aber auf dieser Reise haben wir sehr unter­schied­liche, in den aller­meisten Fällen sehr verant­wor­tungs­be­wusste Menschen und Umgänge mit dem Virus erlebt. Dass ein Landwirt beim Ziegen­melken oder allein auf dem Feld an alles andere, als das Tragen eines Mundschutzes denkt. Beim Betreiben eines Hofladens aber Desin­fek­ti­ons­spender, Zugangs­kon­trollen und Mundschutz verlangt, das stimmt mich zuversichtlich. 

Gleich­zeitig erreichten uns aber genau dort in freier Natur, Presse­mel­dungen von Großaus­brüchen des Virus in Göttingen und ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, wie es sein mag, in engen Wohnungen mit Großfa­milien einge­sperrt zu sein. Dennoch ärgere ich mich über die Vorstellung, da hätten Shisha-Bars trotz Verbotes geöffnet und vielleicht haben sogar unter­schied­liche Menschen sich gemeinsam die Sinne vernebelt. 

Wir aber fuhren weiter zu unserem nächsten Halt, dem Schafhof Jauernik. Wenn neben den Landwirt­schaft­lichen Geräte eine Campact Fahne liegt, die Grünen und die Landfrauen hier schon Besucher waren, dann ist zumindest die politische Überzeugung der Betreiber klar. Noch besser, wenn die Markise ausge­fahren, der camper­in­terne Kühlschrank am Strom angeschlossen und alles für eine “Vesper” bereit ist. Da kann man dann gerne mal mit dem Hasel­nusseis aus Schafs­milch beginnen und als Dessert einen Gin Tonic und mitge­brachten Whisky genießen. Brot.Käse.Wurst – lauter verar­beitete und hochwertige Produkte – aber kochen wollte ich im Urlaub nicht.

Der Abend war kalt und wunder­schön – dank der vom Schwie­ger­vater einge­bauten Heizung konnten wir uns zwischen Romantik und Wärme entscheiden.

Prinzip war ja – möglichst keine Autobahn – um Neues entdecken zu dürfen. Als Station für unsere letzte Nacht haben wir uns selbst beim Bandkol­legen von Steffi – dem wunder­baren Andreas Blüml und seiner Frau Anni einge­laden. Doch bevor es nach Alddorf in Frangen ging fanden wir noch einen wirklich bezau­bernden Ort. Wem Czechy Krumlov zu überlaufen und touris­tisch ist, der findet mit Kirchberg an der Jagst ein wirklich roman­ti­sches Örtchen. 

Nach einem kurzen Mittags­schläfchen erreichten wir dann Anni und Andi. Dort durften wir dann doch ein kleines bisschen in der Küche mithelfen. Was gibt es schöneres, als aus frisch aus der Erde gezogenen Radie­serln und dem dazuge­hö­rigen Grün ein Pesto zu zaubern und auf eine geräu­cherte Forelle Sauer­ampfer aus dem Garten zu legen. Dazu Walnüsse aus dem Garten, grobe Bratwürste und Spargel. Mehr als genug Weißwein haben wir auch vernichtet – wir machens wieder gut, versprochen.

Am nächsten Morgen graute uns schon vor dem Ausladen und dem Hochtragen in den 4. Stock, aber erst haben wir noch den Camper zurück gegeben. Nicht ohne Schwei­ne­braten mit der ganzen Familie Denk zu genießen. Dank meiner wunder­baren Kinder waren auch die 5 Kisten Wein bald in der Wohnung und die Wasch­ma­schine durfte ihren Dienst verrichten. 

Auch die Lebens­mittel waren schnell aufge­räumt und dann kam die Lust zu Kochen und der Hunger wieder. Mit dem Besten aus dem Kühlschrank und der Reise… – vegeta­rische Carbonara mit Wachtel­eiern von Gerd, schwä­bi­schen Spaghetti und frischer Peter­silie. Schön wars – Gut wars – Danke für den Luxus, so eine Tour unter­nehmen zu dürfen, Menschen kennen gelernt zu haben. Wir kommen wieder.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.