Karl Valentin sagte: „Kunst kommt von Können, nicht von Wollen, sonst würde es ja Wulst heißen!“ Es wird viel über Köche und Kochen gesprochen in diesen Tagen. Viele Menschen bewundern die Kreativität der modernen Küche und bezeichnen diese als „Kochkunst“. Das ist nicht von der Hand zu weisen, wenn man den Kunstbegriff als einen Ausdruck von Kreativität definiert.
In allgemeinen Definitionen wird Kunst gemeinhin als Ausdruck von Gefühlen und Gedanken definiert, aber gleichzeitig auch als originär menschliches Kulturprodukt und einem Prozess, an dessen Ende das Produkt, sprich das Kunstwerk steht.
Wesentliche Voraussetzung für diesen Prozess ist die Bereitschaft des Kulturschaffenden, etwas von sich herzugeben und zu präsentieren. Weiterer Bestandteil und eine Abgrenzung von spontanen Ausdrucksformen – etwa einem Kinderbild – ist das planerische, gewollte Vorgehen unter Zuhilfenahme von Vorerfahrungen und Fachwissen über die jeweiligen Techniken.
Kochen ist eine Kulturtechnik
Wenn, wie in vorhergehenden Essays beschrieben, Kochen genauso eine Kulturtechnik wie andere Ausdrucksformen ist, die das Menschliche definiert, so sind durchaus erneut Parallelen zwischen klassischen Kunstformen und dem Kochen auffindbar. Denn Kochen, Mode, Fotografie und andere Ausdrucksformen dienen sowohl einem Alltagszweck, sind aber auch losgelöst von der Befriedigung von Grundbedürfnissen, und trotzdem mehr als dem Selbstzweck dienend sichtbar.
Was ist Können – Was ist Wollen?
Trotz dieser hehren Beschreibung, die zu einer Erhöhung des Tuns neigt, steht die Eingangsfrage im Raum: Was ist Können, was ist Wollen? Und wie wird Können definiert?
Können basiert auf Wissen und den Fähigkeiten, dieses praktisch umzusetzen. Daraus wird ersichtlich, dass es handwerklicher und wissenschaftlicher Fähigkeiten bedarf, um nicht nur „Wulst“ zu produzieren.
Explosion des Wissens
In der Entwicklung der Kochtechnik hat es genau wie im technischen oder digitalen Bereich in den vergangenen Jahrzehnten gleichsam eine Explosion des Wissen gegeben. Das liegt an einer Globalisierung der Verfügbarkeit von Wissen und Techniken, genau wie der durch die Globalisierung herbeigeführten Vergleichbarkeit und damit erzeugten Konkurrenz in der Gastronomie. Gemessen werden Köche heute zumindest in der westlichen Küche an Standards aus dem eigenen Kulturraum. Dies wird in den nächsten Jahren noch erweitert werden auf Fähigkeiten aus der Küche von „Übersee“. Gleichzeitig sind in Spitzenrestaurants und führenden Hotels Küchenchef aus dem deutschsprachigen Raum gefragte und gesuchte Könner, was sicherlich am dualen und strukturierten Ausbildungssystem liegt.
Planerisches Vorgehen und Struktur als Grundlage der Kreativität
Eben diese Struktur ist aber das, was die Grundlage jedes soliden Handwerks ist. Planerisches Vorgehen verleiht erst die Fähigkeit sich vom Boden des Handwerks zu lösen und in die Liga der Kunstschaffenden zu entfliegen.
Die Antwort auf die Eingangs gestellte Frage lautet also: Lerne dein Handwerk, praktiziere und dann kann – vielleicht – mithilfe eines kreativen Prozesses daraus eine Ausdrucksform der eigenen Persönlichkeit werden, die präsentierungswürdig ist. Deshalb gilt mehr denn je für die Küche:
Erst Hirn, dann Herd!