Über Kultur und Kulinarik und die Landwirtschaft
Fisch holen und dann über Kultur schreiben? Hauser – gehts noch? Nur weil du die Steffi Denk dabei hattest, ist das Abholen von 10 Forellen für den Küchentwitch am Samstag doch wohl noch lang keine Kulturveranstaltung! Aber die traditionelle Bewirtschaftung von Karpfenteichen in der Oberpfalz ist es. Und zwar bestätigt durch die Unesco als “immaterielles Kulturerbe”. Und zwar ein Erbe mit langer Tradition und Geschichte.
Also ich mag Sie ja, diese Katholiken – insbesondere Ihre Fastenregeln. Diese schlitzohrige Art, Lösungen für Beschränkungen zu finden, nötigt mir immer wieder Respekt ab und lässt mich schmunzeln. Aber eben auch der historische Anspruch einer Kreislaufwirtschaft verbunden mit wirtschaftlichem Handeln und der Erschaffung von Kulturlandschaft. Ein Leuchtturm eines solchen Agierens ist heute das Kloster Plankstetten, dessen Hofladen wir erst vor 2 Wochen besucht haben. Vor fast tausend Jahren haben das die Zisterzienser in Waldsassen mit Erfindungsreichtum und Raffinesse zelebriert und damit die Grundlage dafür geschaffen, dass Karpfen, aber auch Saiblinge und Forellen in unserer Region gezüchtet werden. Das Landschaftbild des Stiftlandes, aber auch der mittleren Oberpfalz ist geprägt durch die Seenlandschaft, ein ausgeklügeltes System von Teichen.
Als Koch steht für mich fest – ich bevorzuge regionalen, nachhaltigen Fisch, wähle Sailbing statt Lachs und will wissen, wo meine Nahrungsmittel herkommen. Und ich habe das große Privileg, diejenigen kennen zu dürfen, die mit großer Leidenschaft und Verantwortung die Tradition fortführen und in die Zukunft tragen.
Einer ist Marco Mulzer, Teichwirt in 4. Generation. Er hat das Prinzip der Artenvielfalt und der Kreislaufwirtschaft perfektioniert. Man kann bei Marco den frischesten Fisch kaufen, den man sich vorstellen kann (denn ansonsten ist Deutschlands größter Fischereihafen Frankfurt Airport). Aber eben auch das Geflügel, Enten, Gänse und demnächst Gockerl, die in der extensiv betriebenen Land- und Teichwirtschaft von Marco ihren Swimming Pool gleich vor der Nase haben. Sie bekommen das Futtermittel aus eigenem Anbau und nein – es ist kein bio-zertifizierter Betrieb.
Ich hatte erst letzte Woche ein Gespräch mit einer eindrucksvoll engagierten Städterin, deren Genossenschaft sich noch nicht darüber im Klaren ist, inwiefern die Kriterien Regionalität, Saisonalität, Qualitätssicherung durch Zertifizierungen und Siegel zusammen gelebt und vermarktet werden können. Ich empfehle das Slow Food Prinzip – durch wie viele Hände (und damit Verarbeitungsstufen) ist ein Lebensmittel gegangen. Kann ich denjenigen, der tagtäglich an der Qualität arbeitet besuchen und fragen? Kann und will der- oder diejenige Dich an der generationenübergreifenden und alltäglichen Erfahrung teilhaben lassen? Ein großartiges Projekt dazu gestaltet Marlene Hinterwinkler in und um München mit der Genussgemeinschaft Städter und Bauern. Mir ist wichtig, dass ich als einer, der gute Lebensmittel für mich und Gäste veredeln darf, Bescheid weiß. Und da geht es nicht nur um technische Fragen, sondern vor allem um Erfahrungen und Emotionen. Es hat was mit Respekt zu tun, die Landwirte wertzuschätzen und sich für deren Arbeit zu interessieren. Und das heißt besuchen, spazieren gehen und zu zuhören.
Marco also hat sich Zeit für uns genommen und ist mit uns rund um seine Teiche spazieren gegangen. Vorbei an seinem ganz eigenen Auenland und den Teichen. Und auch sein 84jähriger, grantig schauender Onkel hat uns kritisch beäuigt, während er auf dem Fahrrad die matschigen Feldwege entlang gefahren ist. Diesen darf Marco solange ein Wohnrecht gewähren, bis der Junggeselle heiratet. – Auch das ist Bestandteil von Landwirtschaft, wirtschaftlichem Agieren und dem Leben von Familie und Tradition: Das Respektieren des Handelns von früheren Generationen, aber genauso auch Veränderung, Anpassung und der Blick in die Zukunft. Was die Auseinandersetzung mit Bauern, Teichwirten und Traditionsbetrieben so spannend macht ist das langfristige Denken. Beispiel: Der Klimawandel macht auch vor der Teich- und Forstwirtschaft nicht halt. Die Fichten des Großvaters werden weichen müssen zugunsten der Erle und Laubbäumen. Den Teichen muss Sauerstoff zugesetzt werden, aber mal wieder ist es der aus Asien stammende Karpfen, der gut mit höheren Temperaturen und der fehlenden Abkühlung in Sommernächten umgehen kann. ESST MEHR KARPFEN LEUTE!
Wir hätten wahrscheinlich noch viel mehr Zeit verbracht mit Marco, aber als er uns das hunderte Jahre alte Bauernhaus, das Kernelemente des neuen Besucherzentrum werden soll zeigen wollte, wurden wir mit einem Wasserrohrbruch in eben diesem Haus konfrontiert. Der Teichwirt musste sich also zuerst mal um das Wasser kümmern. Viel Erfolg dabei lieber Marco – wir kommen dann im Sommer wieder und helfen beim Sortieren der Fische. Und: Danke!