Schon als wir das Projekt „Ein Sommelier und ein Koch unterwegs in Südengland“ oder wie wir es nach den ersten Unkenrufen genannt haben „Heilfasten auf den Spuren von Rosamunde Pilcher“ genannt haben geplant haben, waren die Reaktionen irgendwo zwischen Erstaunen und Belustigung angesiedelt.
Der Blick über den kulinarischen Tellerrand scheint bei den deutschen Genießern beim Kürbiskernöl und in der Toskana zu enden. Was also würde uns hier in Devon, der britischen Riviera erwarten? Weder Christian noch ich sind das erste Mal hier und das erste Bild, welches ich in London Heathrow an der Passkontrolle hatte waren ein Inder und ein Schwarzer, welche die Gäste des Vereinigten Königsreiches freundlich begrüßten. Dieses Land ist ein Melting Pot der Kulturen, auch der kulinarischen Kulturen. Und ja, in den letzten 20 Jahren ist hier etwas passiert, wovon andere Nationen nur träumen können.
Ich habe es ja schon oft in meinen Kursen zum Besten gegeben: ein Jamie Oliver hätte in Frankreich keine Chance gehabt. Festgezurrt in ein Traditionskorsett des „So macht man das“ fällt es eben schwer, neue Ideen in das übliche Konzept zu integrieren. Selbst auf den üblichen Speisekarten findet man in GB die Tajine mit Couscous und ein Currygericht. Stellen wir uns doch mal eine Dorfwirtschaft im bayerischen Wald vor – ein leichtes Sommergericht ist hier vielleicht der Salat mit Putenstreifen und vegetarisch sind die Semmelknödel mit Schwammerlbrühe. Einflüsse aus dem Rest der Welt? Nudeln vielleicht.
Und da wären wir auch schon bei dem Thema Fish&Chips. Die gibt es in den unterschiedlichsten Qualitäten und sind und bleiben Fast Food. Aber was bitte ist der Unterschied – und vergleichen wir jetzt nur mal den Nährwert und gesundheitlichen Aspekt – zwischen einem Schnitzel Wiener Art mit Pommes und Fish&Chips? Das gibt es in Gut und in Grottenschlecht, hier wie daheim.
Jetzt zu den Vorurteilen: Es gibt im Supermarkt all das, was uns Schauer über den Rücken laufen läßt. Full english Breakfast in der Tiefkühlvariante, Sandwiches mit viel Majo und Steak Pie usw. – Aber hey, bei uns auch, oder? Bei uns gibt’s Rouladen mit Blaukraut zum in die Mikrowelle schieben, also wo ist der Unterschied? Eventuell bei der Fritierkultur.
Gestern haben wir uns darüber unterhalten, ob Pommes als Beilage ein Essen automatisch zu Fast Food werden lassen. Wie seht Ihr das? Was ist eigentlich der Unterschied zu Bratkartoffeln? Letztendlich geht es um die Frage, welche Idee und welche Produkte stecken dahinter. Beherrschen die Köche – ich mag es so sehr, dass wir hier Chefs heißen J – ihr Handwerk. Und dann mag ich es, wenn an einer Frittenbude das Schild steht – wir frittieren neue Kartoffeln aus Devon.
Aber das ist nicht die gute, die moderne Küche der Insel, die wir hier gerade suchen und finden. Es ist nur ein Zeichen dafür, dass die Idee von Regionalität und Saisonalität hier auch in der Mitte der Gesellschaft ankommt.
Auf unserer Suche nach dem Geschmack essen wir deshalb auch nicht die oben angesprochenen Currys. Die sind sicherlich ganz gut, aber wir wollen das echte, moderne Traditionsessen. Zum Beispiel Pastis – also Pasteten die es hier sowohl in der Bäckerei als auch beim Metzger gibt, entstammen der Bergbauzeit, als die Bergwerker von daheim dieses Essen to go – Gemüse und Hackfleisch, eingepackt in einen Teigmantel – mitgenommen haben. Oder was ist mit Black Pudding – also Blutwurst – hier sieht man eine Tradition des „mouth to tail eating“ welche sich über die Jahre erhalten hat – auf meiner Homepage heißt das dann: Tiere essen, ganz oder gar nicht.
Lasst uns zum Schluss noch über Kaffee sprechen. Mein Koffeinspiegel ist seit Tagen im Sinkflug begriffen und ich mache nicht den Fehler, statt des üblichen Tees irgendwo einen Kaffee zu bestellen. Aber wenn in der Bäckerei ein in Devon gerösteter Kaffee angeboten wird und die Kaffeemühle eine wunderbaren Duft verströmt, dann freue ich mich hier. Wobei ich gestern gelernt habe, dass gerade ein Trend aus London ist, den Kaffee zu filtern. Ja, da bin ich dabei – wenn es gut gemacht ist.
Ihr lieben – auf zum Frühstück mit Tee und Eier. Have a good day and enjoy good food. I’m in the mood for good food!