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Für Pille­palle bin ich nicht zuständig!

Mein Papa hat ehren­amtlich nachts bei der Telefon­seel­sorge gearbeitet und kam eines Morgens, da war ich vielleicht 13, zum Frühstück heim. Er hat sonst nichts aus den Gesprächen erzählt, aber an diesem Morgen von einer Anruferin, deren Kanari­en­vogel gestorben war und dass er zwei Stunden mit ihr telefo­niert habe. Ich habe Jahre, das Erwachsen werden, nicht zuletzt eine Coachingaus­bildung gebraucht, um zu verstehen, dass es nicht an mir ist zu werten. 

Der erste Schritt, das Überwinden der Scham, das Formu­lieren des eigenen Anliegens, das Teilen der Trauer über den gefie­derten Gefährten, das Annehmen von Hilfe – das ist mutig. Wer sind wir denn, die eigenen Sorgen und Bedürf­nisse über die anderen zu stellen?

Es ist eine Heraus­for­derung, über die eigenen Ressourcen gut Bescheid zu wissen. Wieviel kann und will ich gerade her geben. Wieviele Hemden habe ich, wieviele brauche ich und wann gebe ich das Letzte ab? Wie ist das mit dem Haushalten, dem Vorräte anlegen, dem Farben sammeln für den Winter? In der Musik, aber nicht nur da, sind der eigent­liche Spannungs­moment nicht nur die Töne, sondern auch die Pausen. Die Leerzeichen zwischen den Worten definieren und Struk­tu­rieren einen Text. Sie führen zu Lesbarkeit und Verständlichkeit. 

Vielleicht kennt ihr auch diese Texte mit Zahlen und verdrehten Buchstaben, bei denen in dann immer steht – “erstaunlich, zu was unser Hirn fähig ist”. Mag sein. Aber es ist nicht einfach zu lesen. Machbar, aber anstrengend. Man kann schon mal einen (geistigen) Sprint einlegen oder schnell noch was fertig machen oder kurzfristig einspringen. So ein Handeln ist im Notfall angemessen, im Alarmfall erfor­derlich. Da disku­tiert man nicht über Versäum­nisse oder Schuld, da hilft man ohne Ansehen der Person. Nur gelten immer auch die Sicher­heits­hin­weise im Flugzeug: Zuerst sich selbst, die Maske aufsetzen, bevor man sein Kind und andere versorgt. Klingt komisch, ist aber so!

Ich meine damit nicht das nervige Selbst­für­sor­ge­mantra, das in einer Blase von Esoterik den Egoismus propa­giert. Ich spreche von gutem Zuhören und Wahrnehmen der eigenen und fremden Bedürf­nisse und nüchternen Entschei­dungen darüber, wann was angebracht ist. Ich meine, es tut uns gut, gerade wenn es hektisch, schnell, brisant ist, erstmal Pause zu machen. Aus Fürsorge für Dein Gegenüber – gönnen wir uns die Zeit zum Luftholen. Denken wir einmal mehr drüber nach, was gerade angebracht und notwendig ist. Fragen wir im Zweifel einen lieben Menschen. Schlafen wir eine Nacht über Emails und Anfragen. Ich bin ein großer Freund des Auspro­bierens, der Chance des Schei­terns und des Wagnisses. Aber ich bin gleich­zeitg auch ein großer Freund des Mise en Place. Des Vorbe­reitens auf Neues. Und dieses Vorbe­reiten findet in der Regel weit vorher statt. Sähen kann man im Frühling, Ernten im Sommer und im Herbst, dann muss man konser­vieren und veredeln, um über den Winter zu kommen. 

Ich nehme mir heute vor inter­es­siert und neugierig die Begeg­nungen wahrzu­nehmen und darauf zu achten, was von meinen Bedürf­nissen Pille­palle und was von Bedeutung ist. Und das Pille­palle soll Spaß machen, das von Bedeutung darf leicht sein. 

Habt einen guten Tag.

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