Ich habe gestern auf Facebook einen Post verfasst mit dem Titel: Deutschland einig Meckerland. Dieser handelte von den (offensichtlichen und scheinbaren) Fehlern und Versäumnissen der politischen Akteure im Umgang mit der weltweiten Pandemie. Wie zu erwarten war, gibt und gab es dazu Kommentare, persönliche Einschätzungen, erstaunlich viel Zustimmung und Denkanstösse für mich.
Wer handelt, der macht unvermeidlich Fehler. Manche Entscheidungen werden auch von einem selbst in der Rückschau als nicht zielführend bewertet. Über richtige Entscheidungen machen wir uns hingegen eher selten Gedanken. Nun sind und waren wir alle (weltweit) in einer Situation, die zumindest diese Generation so noch nicht erlebt hat. Als Grundlage für einschneidende, existenzielle Maßnahmen (es geht immer noch um Leben und Tod, um Existenzen, die Freiheit und das Gemeinwohl) konnte nicht “des hamma scho immer so gmacht” dienen.
Wir Deutschen sind ja eher die Optimierer, Prüfer, Brandschutzbeauftragte, als die McGyvers, Bastler, Schnellschießer. Und – uns fehlt beizeiten der britische Humor, der Wiener Schmäh, die mediterrane Leidenschaft. Es gelingt uns exakt und auf den Punkt zu formulieren. Aber manches Mal ist diese Exaktheit nicht sonderlich charmant.
Wenn wir uns mal locker machen, dann aber mit Ankündigung, Grund und der vorsorglichen Entschuldigung dafür. Deutsche Eskalation braucht einen Rahmen, eine gesellschaftliche Erlaubnis. Einfach mal machen ist eher weniger unser Ding.
Und Kritieren – das können wir! Auch möglichst auf den Punkt und treffend! Immer feste druff! “Is doch wahr, des muss man doch wohl sagen dürfen!” Mir stellt sich die Frage, ob wir diese Zielgerichtetheit, diese Fähigkeit zur Analyse wirklich richtig dosiert und hilfreich einsetzen.
Fehler sind nützlich. Um diese als Fehler zu erkennen, braucht es die (nachträgliche) Analyse. Nach der Entscheidung darüber, ob es einmalige Situationen waren, was der Grund für das falsche Agieren und Handeln war und ob es ökonomischer ist, die Sache auf sich beruhen zu lassen oder sie zu bearbeiten, kann man (muss aber nicht), etwas anders machen. Folgen und Konsequenzen hat jedes (Nicht-)handeln.
Wer sinnvoll zu besseren Ergebnissen beitragen kann, hängt aus meiner Sicht von der Kompetenz ab. Einfach gesagt – ich finde es in der Verantwortung derjenigen, die etwas besser können, denjenigen, die diese Fähigkeit nicht haben, diese zu vermitteln. Auf freundliche Art und Weise. So wie ich unseren Lehrlingen zeige, was die Erwartungshaltung, die genormte Vorgabe und mein/unser Weg dorthin ist. Nicht alle Wege führen nach Rom und trotzdem sollte ich als Ausbilder interessiert sein, immer dazu zu lernen.
Ich finde, vieles im letzten Jahr ist schief gelaufen. Aber ich meine damit weniger die getroffenen Entscheidungen, sondern vielmehr die Art und Weise, wie sie zustande gekommen und kommuniziert wurden. Es ist doch so – wenn einer die Verantwortung übernimmt und den anderen sagt – ihr braucht Euch nicht kümmern, ich mach das alles allein, dann trägt er allein dafür die Verantwortung. Aus Sicht derer, die einen machen lassen ist das auch recht bequem. Aber so funktioniert es einfach nicht gut. Wir sollten noch besser darauf achten, viele mit auf den Weg zu nehmen und in den Prozess einzubeziehen. Die Themen sind zu vielschichtig und komplex, wir verzichten sonst auf Erfahrung und Mitverantwortung. Eine Gesellschaft und ein Staat sind kein Dienstleistungsunternehmen, von dem man gegen Bezahlung Leistung einfordern kann. Es ist ein Mitmach-Ding. Ich wünsche mir als Lernschritt für die Zukunft, bessere Erklärungen, mehr Möglichkeiten der Beteiligung, ein besseres Hinhören bei denen, die sich gesellschaftlich und ehrenamtlich Engagieren.
Aber ich bin auch davon überzeugt, dass es im Notfall schnelle, klare Befehlsketten geben muss. Ein Diskurs im Einsatz ist nicht sinnvoll und zielführend. Also müssen wir uns die Frage stellen: Wann ist Beteiligung, Weiterentwicklung, Kritik sinnvoll und hilfreich.
Es geht um den oder die richtigen Zeitpunkte. Um Timing. Es geht aber auch um die notwendigen Pausen, dem Zuhören, Verstehen und Durchdenken – vor einer Antwort, einem Verbesserungsvorschlag. Es geht um Lautstärke, Großbuchstaben und Ausrufezeichen, die idealerweise gut dosiert eingesetzt werden, weil Sie sonst an Wert verlieren. Es geht um Taktgefühl, wenn wir wollen, dass Botschaften nicht nur ankommen, sondern auch wirken und verändern. Es geht um Mitspielen, nicht nur zuhören und kritisieren. Und es geht um den richtigen Ton, der wie wir gerade gesehen haben, nicht allein die Musik macht.
Wer absichtlich falsch spielt, wer betrügt und auf Kosten anderer sich bereichert, der gehört nicht ins Orchester. Aber wer Kritiker sein will, der muss über Kompetenz verfügen. Wer Zuhörer ist, auch der hat eine Rolle und wer Bestandteil der Band ist, der hat dafür vorher was getan. Wenn wir diese Rollen durcheinander bringen, dann funktioniert das Konzept und das Konzert nicht.
Wir brauchen eine bessere Fehlerkultur, die Kritik und Mitmachen zulässt. Wir brauchen aber auch eine grundsätzliche Zustimmung und Unterstützung derjenigen, die sich der Verantwortung stellen. Und wir brauchen ein gegenseitiges Interesse aneinander. Ich wünsche mir für den kommenden Bundestagswahlkampf, dass dieser sich mit Konzepten und Zukunftsvisionen, mit Verantwortung und Dialog beschäftigt und nicht mit Memes, dem Trüffelschweingleichem Suchen nach Fehlern der anderen.
Können wir einfach nett und hilfreich zueinander sein? Danke!