Gestern habe ich meine Fotos aus den letzten Jahren sortiert. Die Möglichkeiten der Gesichtserkennung sind beeindruckend. Ich bin echt technikbegeistert. Zu sehen, wie Orte, Zeiten, Menschen und Situationen von der Technik nachvollzogen werden können, ist aber auch beängstigend.
Was ersetzt die Technik?
Es ist Sinn und Zweck eines solchen Hilfsmittels, die händische, analoge Arbeit zu erleichtern. Wenn die Maschinen dann intelligent werden, was macht das mit uns? Die Frage stelle ich mir auch immer wieder, wenn ich zu meiner Meinung zu der berühmten Küchenmaschine der Firma Vorwerk gefragt werde. Der neue TM5. Klingt ein bischen wie Terminator. Diese Küchenmaschine hat eine „Guided Cooking Funktion“. Es gibt programmierte Chips mit gespeicherten Rezepten, die in Wort und Bild jeden einzelnen Handgriff des Bedieners erläutern und mit der eingebauten Waage überprüfen. Jede und jeder kann also jetzt mit Gelinggarantie „kochen“. Toll oder?
Angst vor dem Scheitern?
Zwei Dinge machen mich stutzig. Zum einen: Woher kommt der Wunsch nach dieser Gelinggarantie? Warum ist es so angenehm zu wissen, dass alles funktionieren wird? Ist Bequemlichkeit so wichtig und komfortabel, dass wir dafür im Alltag auf Kreativität mit der Möglichkeit von Fehlern und dem Scheitern verzichten? Der Wunsch nach Perfektion, Vereinfachung und Struktur ist scheinbar größer als die Freude am Ausprobieren. Der gesetzte Rahmen angenehmer als das weiße Blatt. Die Lieferkiste mit fertigen Rezepten passt besser in unser Leben als der Gang auf den Markt. Das geputzte und vorbereitete Gemüse sauberer als die krumme Karotte mit Erdresten und die unter Schutzfolie verpackten Hähnchenbrüste schöner anzusehen, als das ganze Huhn? Welche Aussage über unsere Gesellschaft macht das?
Zeigen was man kann
Zum zweiten: Im Heute Journal vom 14. Februar 2015 wurde Prof. Hüther über ADHS interviewt. Die These von ihm lautet, ADHS wäre kein Hirnstörung und damit auch keine Krankheit. Eine steile These, gerade für betroffene Kinder, Eltern und Lehrer. „Es gab vielleicht noch nie eine Zeit, in der Kinder so wenig Gelegenheiten hatten zu zeigen, was sie drauf haben, wo die gemeinsam mit anderen Aufgaben und Probleme lösen.“ Professor Hüther weist darauf hin, dass vor allem Jungs kaum noch die Möglichkeit, haben gemeinsam für eine Sache Verantwortung zu übernehmen und dabei zu spüren, dass sie wichtig sind. Es gehe darum, gemeinsam etwas zu erleben und zwar nicht nur in der Freizeit sondern bei dem sich Kümmern um eine Sache im Alltag.
Lebensmittelkompetenz und einfach machen
Ich plädiere für die Übernahme von Verantwortung für den eigenen Konsum, für den Erwerb von Nahrungsmittelkompetenz. Benutzen Sie Ihr eigenes Hirn, Ihre Nase und Ihren Geschmackssinn. Erweitern Sie Ihr Wissen über die Erzeugung und Herkunft von Nahrungsmitteln. Freuen Sie sich auf den Frühling und die frischen Kräuter. Lassen Sie sich inspirieren von dem, was gerade auf dem Feld wächst. Kochen Sie selbst und gemeinsam mit Kindern, Großeltern und Freunden. Probieren Sie eigene Rezepte und lassen Sie sich nicht von den Essensbildern in Kochbüchern abschrecken. Übernehmen Sie Verantwortung für den Inhalt Ihres Kochtopfes und Ihren Körper. Sie sind der Kapitän am Herd, nicht die Maschine.