Nun sind wir also schon bei der Halbzeit unseres Gourmettrips angekommen und es ist Zeit für eine kulinarische Zwischenbilanz.
Was von vorneherein klar war: Devon ist ein Hotspot des Genusses. Die Bandbreite an regionalen Produzenten ist riesig. Es gibt Lamm, Seafood, Käse und in dem milden Klima der britischen Riviera wachsendes Gemüse. Die Landschaft ist grandios und die Gastfreundschaft phantastisch. Kein Problem nach wenigen Minuten im Restaurant mit Fremden in Kontakt zu kommen.
Beste Voraussetzungen also für Gastronomiebetriebe. Drei davon haben wir getestet und wollen diese hier vorstellen. Diese sind ein Gastro-Pub (Jack-in-the-Green, Rockbeare), ein sehr kleines Restaurant (The Ods, Shaldon) und ein Organic-Farm Restaurant (Riverford Field Kitchen, Buckfastleigh).
Damit bin ich schon bei dem Thema Vergleichbarkeit und deren Notwendigkeit. Ich hatte vorab die Sorge, dass nicht nur der Bauch voll sein würde, sondern ich auch genug haben würde von Gourmetküche und gezwungener Höflichkeit. Genug von Entscheiden müssen und Bewerten, genug vom Sprechen über das Essen und den immer gleichen Gerichten und regionalen Spezialitäten. Weit gefehlt – Thank God!
Was ein gutes Gastrokonzept ausmacht ist die Unvergleichbarkeit, die Individualität. Dahinter muss eine persönliche Idee stecken, die sowohl in den Räumen, den Speisekarten, der Art und Weise die Tische zu stellen und zu decken deutlich wird. Natürlich – last not least – bei dem, was auf dem Teller bei mir als Gast ankommt. Und genau deshalb haben wir die letzten drei Abende so genossen – weil jedes der Konzepte anders, eigenständig und rund war.
Beginnen wir mit Jack in the Green, ein Pub mit einem Restaurant der gehobenen Küche.
Es liegt ca. 10 Meilen außerhalb von Exeter an einer kleinen Landstrasse. Nicht wirklich idyllisch. Auch der Eingang ist nach hinten versetzt und man betritt dieses durch eine Art Biergarten. Im Innenraum nimmt man Platz in großen Ledersesseln, wobei schon hier deutlich wird, dass es nicht der plüschige Miss Marple Stil ist, der hier zelebriert wird, sondern eine schlichte Eleganz. Sicherlich britisch gemütlich mit flauschiger Auslegeware, aber nicht spießig. Nach dem ersten Ale werden wir in den Restaurantbereich gebeten – hier sind Brot und gesalzene Butter, sowie eine Karaffe mit Wasser bereits eingedeckt. Wie angenehm, das ist natürlich in der ganzen Welt so üblich (bis auf good old Germany) und fühlt sich so an, als ob es der Betreiber nicht nötig hätte an Hunger und Durst zu verdienen.
Die Karte ist überschaubar, es gibt ein Menü, dessen Gerichte sich als einzeln bestellbare Gänge in der normalen Karte wiederfinden. Dann noch jeweils 3 weitere Vorspeisen, Hauptgänge und Dessert. Zusätzlich den Punkt „Pub Grub“. Also Neuinterpretation der traditionellen Wirtshausgerichte. Als Vorspeisen haben wir gewählt: Geflügelleberpastete mit Brioche und einem süßen Chutney, Christian eine Rotzunge mit eingelegten Gurken. Beides war wunderbar. Die Pastete war fein püriert, der Brioche selbstgebacken und frisch getoastet. – Ein tolles Leberwurstbrot! Christians Fisch war auf den richtigen Punkt gegart und begeistert haben uns die eingelegten Gurken. Schöne Frische – weit weg von der scharfen Säure einer Zitrone.
Als Hauptgang hatten wir beide Schwein. Ich die Pub Grub Variante, also ein Kotelett mit Frühkartoffeln und Gemüse und Black Pudding. Gute Sauce, richtiger Garpunkt. Blackpudding ist eine Art Blutwurst, gegart wie ein Kuchen. Nice. Was mich begeistert hat war das Gemüse. An alle Unkenrufer da draußen in der Welt. Großbritannien, totgekocht und ungesalzen – Forget it! Die Karotten waren gebürstet aber nicht geschält, der Spinat frisch blanchiert, am Brockoli war noch ein gutes Stück des Stieles. Gemüse kann so schön sein. G’schmeckt hats a!
Christians Schwein war die Edelvariante meines Essens. Schweinefilet und Schweinebauch, wobei dieser als Block geschnitten und die Kruste oben drauf lag. Die hier sehr beliebten Saubohnen und frischer Mangold lagen in der Mitte, dazu neue Kartoffeln in der Schale. Gutes Essen, was soll man mehr erzählen. Sauber gemacht, schön angerichtet, freundlich serviert. Dieses Pub ist eine sichere Bank für gutes Essen.
Nach einem wunderschönen Tag am Meer und einem cooles Fish&Chip Laden – Motto: “Tomorrows Fish is still in the Sea“ suchten wir am Abend Tim Bouget in seinem erst jetzt wieder mit einem „Nachhaltiges Restaurant Preis“ ausgezeichnetem „The Ods“ auf.
Und das Suchen dürft Ihr wörtlich nehmen. Obwohl Christian bereits das zweite Mal hier war, sind wir einfach mal an diesem kleinen, unscheinbaren Reihenhaus vorbeigefahren. Das Restaurant hat 24 Sitzplätze an 7 Tischen. Keine Tischdecken auf der schlichten Holzplatte, Gartenblumen und Salz und Pfeffer darauf. Weil kein Mensch mehr braucht. Tim, der Küchenchef begrüßt uns freundlich und macht selbst den Service. Bei dieser Restaurantgröße bleibt da auch Zeit für kurze Gespräche oder die ernst gemeinte Frage nach unserer Meinung zum Essen, dem Wein vom River Exe oder dem in der eigenen Mikrobrauerei seit einem Jahren gebrautem Ale.
Das Essen….- WOW! Natürlich war es schön angerichtet, Tim braucht keine Schäumchen dafür. Er benutzt einfache klare Zutaten und so sind auch die Aromen auf dem Teller.
Meine Vorspeise war mit Zucker geräucherter Lachs, in Streifen geschnitten gemeinsam mit leicht gebeizten Zucchinistreifen, Basilikum und einer Art von Lemoncurt. Christian hatte Spargel – 2 Stangen und ein pochiertes Ei. Einfach eine Neuinterpretation eines klassischen Spargelgerichtes. Aber eben völlig unprätentiös. Hauptgang war eine supersaftige Perlhuhnbrust mit einer Salzkartoffel. Christian hatte – wieder mal – den Fisch auf Linsen und Karotten, wobei dabei in die längs aufschnittenen Karottenscheiben eine Mousse aus Karotten mit leichter Ingwernote gespritzt war.
Dessert für mich eine Limettentarte. Frisch, fruchtig und voller Geschmack. Der Thoma ist der Toffee-Man. Und aus diesem Törtchen lief die Caramelcreme flüssig und warm raus. Dazu eine Sauce aus Bitterorangen.
Zwei Tage später sind wir noch mal vormittags hier aufgelaufen und haben uns die Brauerei angeschaut. Wieder – eine Begrüßung wie für alte Bekannte. Offene, freundliche Menschen. Wir kommen wieder – nächstes Mal zum Bierbrauen und Kochen mit der Crowd.
Next Station: Riverford Field Farm! Im Internet gefunden als Organic Restaurant bekamen wir in den ersten zwei Tagen 3x den Tipp dort zu Essen. Und dank der wunderbaren Planung meines Reiseleiters war der Tisch für den dritten Abend dort auch schon reserviert. Spannend war die Ansage: Begrüßung um 19.30, Essensbeginn 20.00 Uhr – für alle! Und als wir dann durch ein kleines Wäldchen spazierend vor der in einfachem, modernen Stil gehaltenen „Essenshalle“ ankamen haben wir auch verstanden. Es gibt dort einen 6‑flammigen Herd, 2 Konvektomaten und ca. 5m Edelstahlarbeitsfläche. Alles hinter der Bar im Eingangsbereich. That‘s it. Das Menü steht fest und das Essen wird auf Platten an den Tisch gebracht. Nur so kann dieses Konzept für 70 Personen (während der Ferienzeit gibt es 2x Mittag- und 1x Abendessen für diese Personenanzahl) überhaupt funktionieren. Und wieder – Du kommst rein und weißt, was auf Dich wartet. Das Menü steht auf einem braunen Papier und darauf stehen auch die Vornamen der Servicekräfte die an diesem Abend für Dich sorgen. Wir saßen an einem 8ter Tisch und natürlich steht man auf und begrüßt die neuen, unbekannten Tischnachbarn mit Vornamen.
Dann kommt das Brot in Körben und eine süßlich-pikante Paprikacreme. Folgende Antipasti: gebratene Zucchini und Auberginen mit Kreuzkümmeljoghurt. Salat mit Staudensellerie und Estragon, mariniertes Blaukraut und Rote Zwiebeln mit Walnüssen. Alles vom Feld auf den Teller mit kurzem Umweg über eine unaufgeregte Küchencrew, die offensichtlich perfekt organisiert diesen Abend gerockt hat. Hauptgang waren – aufgemerkt – 8 ganze Biohühner für 68 Personen. ¼ Huhn pro Person abzüglich der Vegetarier (diese hatten einen Gemüsestrudel) reicht völlig. Aus den Karkassen wurde noch an diesem Abend der Fond angesetzt. Zu den Hühnern gab es ein Kartoffel-Sellerie-Gratin mit Butterbröseln und frisch aufgeschlagene Aioli. Bei dem Dessert durften wir uns als erste am Tresen anstellen und aus der Auswahl an Sticky Toffie Pudding mit Vanillesauce, Cheesecake mit unglaublich tollen Himbeeren, einem Schokobrownie, Tiramisu, Pawlowa und einem Apfelauflauf wählen. Aber nur eine pro Person! Klare aber freundliche Ansage der Küche „What a pity – for you!“ Um 22.00 war die Küche sauber.
Was bleibt von diesem Abend zu sagen? Wenn ein Konzept mal rund ist, dann läufts auch. Bio heißt nicht, dass man für die Besichtigung der Felder (was 4 Pfund kostet) nicht auch einen mp3 Player bekommt, der die Philosphie erklärt. Internet, Facebook und Twitter sind notwendig, damit wir dieses Restaurant finden konnten. Und damit wurde Geld verdient – Menü kostete 27 Pfund, dazu Getränke und Trinkgeld (feel free to give what you want). Das für einfach gute Zutaten aus eigener Produktion. Warum nicht – faire Sache für alle Seiten. Tolles Essen für die Gäste, Gewinn für den Anbieter.
So geht Gastronomie heute. Gut durchdachte Konzepte, persönlich, individuell und unvergleichlich. Denn wenn man sich auf dem Markt mit irgendetwas präsentiert, was die Welt schon tausendmal gesehen hat, dann wird es über kurz oder lang jemanden geben, der es ein bisschen billiger und schlechter macht.