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Schmalz. Salz. Grünkohl… Ein Rezept.

Wenn Du Gott zum Lachen bringen willst, dann mach Pläne.” Diesen Satz hat mir ein Freund vor wenigen Tagen gesagt und er hat mich sehr in dem bestätigt, was ich bislang bei wirklich wichtigen Ereig­nissen im Leben erfahren habe. Nun ist ein Schmalz­rezept sicher nicht von elemen­taren Belang für das Leben. Aber genau dieses Schmalz und die Entstehung dessen erklärt so viel von unserer gemein­samen Lebens(mittel)philosphie, dass wir Euch dieses nicht vorent­halten wollen.

Wie bei jedem anderen Rezept auch gibt es eine Zutaten­liste, eine Anleitung und ein paar Bilder. Doch auch hier wird schnell klar werden, warum das alles genauso wenig repro­du­zierbar ist, wie alle anderen entschei­denden Dinge im Leben.

Man nehme…

… einen verant­wor­tungs­be­wussten Produ­zenten einer Schwei­ne­rasse, die als Slow-Food-Arche­pas­sagier durch Züchten, Pflegen, Schlachten, Verar­beiten und Essen vor dem endgül­tigen Aussterben gerettet wurde und baue mit diesem eine freund­schaft­liche Geschäfts­be­ziehung auf.

… einen passio­nierten Koch, der sich nach 11 Jahren Restau­rant­be­trieb auf ein neues, frisches Gastro­no­mie­konzept einge­lassen hat und eine eigene Räucher­kammer besitzt.

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… ein ganzes buntes Bentheimer Schwein und verar­beite alles davon – den Kopf zu Sülze, zu Blut- und Leber­würsten, die Haxen zu Ossobucco und Eisbein, den Bauch zu italie­ni­schem Braten in Milch gegart, mache mit Erwach­senen und Kindern Bratwürste und verschenke das Filet an einen guten Freund. Dann sure man das Fleisch für 3 Wochen ein und räuchere dieses bei niedri­gerer Tempe­ratur für 11 Tage.

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Den Schinken verschenke man zu Weihnachten an Freunde und verkaufe einen Teil davon an leiden­schaft­liche, verste­hende und respekt­volle Geniesser. Und nun, nachdem alles verar­beitet und verspeist ist, freue man sich auf das Ausgangs­produkt für unser Schmalz: Den dicken, geräu­cherten und nach einer Party übrig gelas­senen vier Zenti­meter dicken Fettrand. Das ist das erste von nur fünf Lebens­mitteln, die wir für solch ein Rezept benötigen.

Der nächste “Arbeits­schritt” ist, Freunde in der Nähe oder Ferne zu besuchen und denen auch etwas vom eigenen Schinken mit zu bringen und voller Begeis­terung vom Entste­hungs­prozess zu erzählen. Das bedarf einer guten Flasche Weines, dessen Geschichte Dir dann Deine Freunde erzählen. Ersatz­weise ist craft beer oder Mescal möglich… wichtig dabei ist das völlig planlose, achtsame Gespräch und die Begegnung.

Was unbedingt für dieses Rezept notwendig ist – Deine Freunde sollten einen eigenen Garten haben, dessen Gemüse sie hinge­bungsvoll gegen die Angriffe von Schnecken vertei­digen und darin eigenen Grünkohl ernten. Dieser Grünkohl muss am Vortag versuchs­weise  in Olivenöl gewälzt und mit Salzkris­tallen einge­rie­benen werden und als Rest auf dem Tisch stehen. Denn sonst könnt Ihr nicht lustvoll darauf rumkauen, während drei verschiedene Salzsorten auf dem Tisch stehen.

Nun solltet Ihr spontan kreativ sein und den mit Umami angefüt­terten Grünkohl in einem Mörser mit gutem Salz mischen und Euch der Kritik der Runde stellen. Das Ergebnis wird sein, dass mindestens einer der Anwesenden das Ergebnis “inter­essant” nennt und Ihr den Mörser voller Leich­tigkeit zur Seite stellt und einfach weiter die Begegnung und den Abend geniesst.

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Nach mindestens einem Tag geistiger Ruhezeit für die Köche und die bislang zwei Zutaten benötigt Ihr Muße, Zeit und Lust auf weiteres Ausprobieren.

Dass der Speck ausge­lassen werden muss ist klar. Und das Basis­wissen über Schmalz-Machen  – davon gehen wir einfach mal aus – habt Ihr auch, anderen­falls empfehlen wir klassische Kochbücher ohne Bilder, in dem Ihr eine der faltigen, mit Soßen­flecken verschö­nerten und damit als wertvoll ausge­zeich­neten Seiten aufschlagt und nachlest.

Fehlen nur noch eine Zwiebel, ein runzliger, mit Wurmloch gelaberter Apfel und wenige Küchen­geräte. Also Marme­la­den­gläser, ein scharfes Messer, einen schweren Topf, ein Haarsieb,  Hitze und Zeit.

Denn unser Fettrand ist viel zu schade, als dass wir diesen anbrennen lassen würden. Langsam breitet sich also der intensive Geruch von angebra­tenem Speck in der Küche aus, während Ihr die Zwiebel schält und in wirklich feine, gleich­mässige Würfel schneidet (ich habe nichts von hacken gesagt, oder? Bitteren Zwiebelsaft wollen wir nämlich weder in den Augen, noch auf dem Brett, noch im Schmalz). Den Apfel befreit Ihr von seinen Besuchern und schneidet ihn ebenfalls in Würfel (feine).

Wenn also nach weiteren Gesprächen und gutem Kaffee der Speck flüssig geworden, ist könnt Ihr die Schwarte guten Herzens entsorgen und in einem zweiten Topf die Zwiebeln und später die Äpfel in etwas Schmalz langsam anbraten. Ein guter Moment, das wirkliche feine Sieb zum Einsatz zu bringen und das Fett bis auf den letzten Rest aus dem Topf (bis auf die schwarzen Rest am Topfboden) abzugießen.

Jetzt kommt Ihr auf die Idee, dass das gestern verschmähte Grünkohlsalz doch ganz wunderbar in das Schmalz passen könnte. Sicher ist das nicht und im schlimmsten Fall versaut Ihr die Arbeit des letzten Monates. Aber es hilft nichts, ohne Mut habt Ihr keine Chance auf neue Geschmacks­welten. Und ja, jede Zutat steht nur genau einmal zur Verfügung. Are you brave enough?

Majoran wäre schön, gerne selbst getrocknet und sicher nicht aus irgend­einem Super­markt­regal. Pfeffer: Mitge­bracht von der Messe in Turin; während des Mörsern erinnerst Du Dich an das freund­liche Gesicht des Verkäufers.

Und nun… ausge­las­senes Fett zu der Zwiebel und dem Apfel. Dann alles in die super­sau­beren Schraub­gläser füllen. Nach einer Stunde umdrehen, damit sich Äpfel und Zwiebel ordentlich mischen und nicht am Boden des Glases absetzen.

Das wäre ein guter Moment sich mit schönem Papier hinzu­setzen und die zwei Gläser zu beschriften. Denn eines davon solltet Ihr an liebe Menschen verschenken. Und dasjenige, dass Ihr selbst behaltet – also Ihr selbst – verdient genauso viel Respekt und liebe­volle Gestaltung.

Das wars auch schon. Ein Rezept für Schmalz.

Hier steckt alles drin, was wir für Slow Food halten. Gastfreund­schaft, Respekt, Einma­ligkeit, Saiso­na­lität, gewollte Nicht-Repro­du­zier­barkeit, die Achtsamkeit für Produkte und Menschen und unser Aufruf zum Mut des Auspro­bierens und Teilens.

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